Was ist Misophonie?

Misophonie

Misophonie (“Hass auf Geräusche”) bringt den betroffenen Misophoniker dazu, mit Wut, Aggression und Ekel auf (Alltags-)Geräusche zu reagieren.

Misophonie ist in der Gesellschaft noch recht unbekannt. Noch. Wir befinden uns im Aufwärtstrend. Der Leidensdruck bei Betroffenen und auch Angehörigen ist enorm. Die Misophonie hat verschiedene Gesichter: Lebenspartner, die Ihre/n liebste/n beim nächsten Griff in die Chipstüte am liebsten den Hals umdrehen würden.

Schüler, die aus dem Klassenzimmer flüchten oder unter Tränen sitzen bleiben. Beziehungen, die zu Bruch gehen. Ein Büro-Alltag, der kaum zu ertragen ist. Wohngemeinschaften, die auf eine harte Probe gestellt werden. Familienfeiern, bei denen der Gedanke daran schon zermürbend ist. All das ist Misophonie. Und noch ein bisschen mehr… Misophonie zeigt sich in vielen unterschiedlichen Facetten.

Einige davon beleuchten wir in diesem Blogartikel. Wenn du dich für Tipps und Tricks interessierst, wie du im Alltag mit Misophonie umgehen kannst und wie du Trigger abmilderst, dann bist du hier genau richtig. Viel Spaß beim Lesen!

Misophonie Begriff vom Ehepaar Jastreboff geprägt

Der Begriff “Misophonie” wurde erstmal vom Ehepaar Pawel J. Jastreboff und seiner Ehefrau Margaret Jastreboff im Jahre 2001 geprägt. Aus der griechischen Sprache übersetzt bezeichnet Misophonie den „Hass auf Geräusche“. Misophonie ist eine selektive Geräuschintoleranz. “Selektiv“, da es sich nicht um alle Geräusche handelt, sondern um spezielle, individuelle Geräusche. Was den einen Misophoniker stört, lässt den anderen Misophoniker unter Umständen völlig kalt. Obwohl zu den häufigsten Geräuschen Essens- und Schmatzgeräusche zählen, ist die Misophonie bei weitem nicht auf diese Geräuschklasse reduziert.

Diese auch als “Trigger” bezeichneten Geräusche rufen bei Misophonikern starke Wut, Aggression, Ekel oder gar Panik hervor. Die Lautstärke der Geräusche ist unerheblich. Leise Trigger bewirken ebenfalls eine starke Aggression und Wut.

Definition von Misophonie bei Wikipedia

Misophonie Definition bei Wikipedia, letzter Abruf Dezember 2021

Bei der Misophonie handelt es sich um eine selektive Geräuschintoleranz mit körperlicher Reaktion auf akustische oder visuelle Reize (teilweise auch haptische und olfaktorische Reize). Der Misophoniker zeigt eine Kampf- oder Fluchtreaktion („fight or flight“). Ob Misophonie neurologischer oder psychischer Art ist, wird aktuell noch diskutiert. Das Störungsbild findet zurzeit noch keine Erwähnung in ICD-10 (auch nicht in der Folgeversion ICD-11) oder im DSM-5. 

Misophonie ist (zumindest teilweise) konditioniert

Auch wenn Konditionierung nicht die vollständige Antwort auf die Frage “Wie entsteht Misophonie?”  ist, sind sich einige Forscher sicher: Misophoniker erlernen zum Teil das Verhalten, das sie auf bestimmte Geräusche zeigen. Das Verhalten ist konditioniert. Sicher schießt dir jetzt sofort die Frage in den Sinn: “Moment mal, wenn man die Misophonie lernen kann, kann man sie dann auch wieder verlernen?

Nun, es gibt Methoden und Techniken, mit denen man die Reaktion auf Geräusche abmildern kann. Einige davon wirst du in diesem Blogartikel kennenlernen. Ich bin selbst Misophoniker und noch nicht von der Misophonie “geheilt” – mir konnten diese Techniken jedoch sehr gut helfen, ein nahezu triggerfreies Leben zu leben. So konnte ich beispielsweise meine Reaktion auf “Umrühren des Kaffees mit dem Löffel” verlernen. 

Zusammengefasst: Niemand ist mit Misophonie auf die Welt gekommen oder Misophonie ist ihm angeboren (so zumindest der aktuelle Stand der Forschung). Wenn du einen kleinen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung haben möchtest, dann schau dir gerne das Interview mit dem Misophonie-Experten Nico Remmert an:

Misophonie Ursache – So entwickelt sich Misophonie

.Laut Thomas H. Dozier ist der (emotionale) Druck, der in der Schule entsteht, häufig ein Grund für die Entwicklung einer Misophonie bei Kindern. Zudem kann eine gedrückte Stimmung und schlechte Atmosphäre zu Hause ein Grund für die Entwicklung sein. 

Das deckt sich ebenso mit meiner persönlichen Erfahrung. (Druck in der Schule gepaart mit schlechter Stimmung zu Hause durch fast tägliche Streitereien meiner Eltern)

Während meiner Aufklärungsarbeit hatte ich die Chance persönlich mit Thomas H. Dozier zu sprechen. Wenn dich das interessiert, dann schau dir gerne das folgende Video an (das Video ist in englischer Sprache)

Häufigkeit und Bekanntheitsgrad der Misophonie

Häufigkeit

Über die Häufigkeit des Störungsbildes lässt sich nur schwer eine sichere Aussage treffen. In der Literatur findet man unterschiedliche Angaben zur Häufigkeit von Misophonie. Manche Quellen berichten über einer Häufigkeit von 10 bis 15 Prozent! Eine Festlegung auf eine tatsächliche Häufigkeit ist demnach schwer zu tätigen. Daher wage ich an dieser Stelle nur eine vorsichtige Schätzung (auf Basis eigener Recherche und Gesprächen mit Experten): 

In der (deutschen) Bevölkerung leiden geschätzte 1 bis 2 Prozent an Misophonie. Bei einer Bevölkerung von knapp 82 Mio. also zwischen 820.000 und 1.640.000 Menschen. Vorsichtig geschätzt. Konservativ geschätzt. Wobei ich glaube, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. 

Bekanntheitsgrad

Im Rahmen meines ersten Buches habe ich recherchiert, wie viele Suchtreffer die Google-Suche findet. Das Ergebnis habe ich dir mal mitgebracht: Der Suchbegriff “Misophonie” zeigt 48.900 Ergebnisse bei der Google Suche (Mitte April 2020).

Suchergebnisse bei Google mit dem Stichwort "Misophonie"

Ende 2020 hat sich die Anzahl der Suchergebnisse fast verdoppelt – das ist zumindest als kleiner Teilerfolg zu verbuchen. Hierzu ein Screenshot der Google Suche:

Ergebnisse der Google Suche mit dem Sichtwort "Misophonie"

Verglichen mit den Suchbegriffen “Burnout” oder “Depression” scheint der Anteil der Suchergebnisse für “Misophonie” dann doch recht gering. Ich stelle diesen Vergleich an, da Burnout und Depression vor einigen Jahren ebenfalls belächelt wurden. Mittlerweile, so scheint es zumindest, werden Burnout und Depression von der Gesellschaft ernst genommen und “anerkannt”.

In diesem Vergleich steckt somit auch ein wenig Hoffnung. Ich wünsche mir, dass die Misophonie ebenso in der Gesellschaft “angenommen” wird. Somit sollte sich kein Misophoniker mehr quälen, indem er am Esstisch sitzen bleibt, obwohl er doch viel lieber aufstehen würde. Und das auch besser täte, denn aushalten macht die Misophonie schlimmer. 

Vergleich mit “Burnout” und “Depression”

Der Suchbegriff “Burnout” zeigt 60.200.000 Ergebnisse bei der Google Suche (Mitte April 2020).

Ergebnisse Google Suche mit dem Stichwort "Burnout"

Update Dezember 2021: Mittlerweile sind es 82.800.000 Suchtreffer bei Google. In guten 1,5 Jahren sind also 20.000.000 Treffer hinzugekommen. Gute Sache!

Der Suchbegriff “Depression” zeigt 440.000.000 Ergebnisse bei der Google Suche (Mitte April 2020).

Ergebnisse der Google Suche mit dem Suchbegriff "Depression"

Mir macht die folgende Grafik ein wenig Hoffnung. Ich habe dir einen Screenshot von Google Trends mitgebracht. Bei Google Trends erkennt man das Suchvolumen eines Begriffes. Immer mehr Menschen hören von der Misophonie und erkundigen sich danach. 

Folgender Screenshot zeigt die Entwicklung der Suchanfragen bei Google Trends (2004 bis Dezember 2021). Für den großen Ausschlag am Ende des Graphen sorgte übrigens die Dokumentation von Galileo “Ich hasse Geräusche”. Deshalb wünsche ich mir deutlich häufiger Dokumentationen und Berichte über Misophonie.

Suchergebnisse bei Google Trends Misophonie

Was sind “Trigger” bei der Misophonie?

So, genug zur Definition. Kommen wir zu den “Triggern”. Trigger sind die Geräusche, die in einem Misophoniker Aggression, Wut, Ekel und sogar Panik auslösen können.

Bei auditiven Triggern wird die körperliche Reaktion durch ein Geräusch hervorgerufen. Um visuell getriggert zu werden, reicht die Wahrnehmung einer bestimmten Bewegung/ Aktion über das Auge aus. Ich konnte es mir bisher noch nicht erklären, warum mich das triggert. Eine Vermutung habe ich: Möglicherweise verknüpfe ich die Bewegung mit dem Geräusch, das dabei entsteht.

Jeder Misophoniker hat seine eigenen individuellen Trigger. Meistens wird die Fight-or-Flight-Reaktion durch einen Trigger ausgelöst, der mit dem Mundbereich, bzw. mit der Aufnahme von Nahrung, zusammenhängt. Es gibt aber auch “Exoten”, mehr dazu später. Dabei verteilen sich die Trigger unter Umständen auf verschiedene Personen und verschiedene Situationen. 

Der Begriff “Trigger” wird nicht nur bei Misophonie verwendet. Er steht universell für einen “Auslöser” – den Begriff Trigger gibt es unter anderem auch in der Informatik und bezeichnet einen Auslöser für einen weiteren Prozessablauf.

Beispiele für auditive/ akustische Trigger

  • Schlucken
  • Schmatzen
  • Schnarchen
  • Suppe schlürfen
  • Flüstern
  • Pfeifen
  • Klicken eines Kugelschreibers

 

Beispiele für visuelle Trigger

  • Säubern Katzen/ Hunde säubern
  • Langsames Abstellen eines Glases
  • Beinwippen
  • Kauen

Es gibt aber auch “Exoten”, also Triggergeräusche, die sehr individuell sind. Damit erkennt man auch gleichzeitig, dass Trigger bei weitem nicht bloß auf Essens- und Schmatzgeräusche zu reduzieren sind. 

Auch ich habe einen visuellen Exoten: Ich kann meiner Mutter nicht beim Pizza schneiden zuschauen. Schneidet sie Ihre Pizza besonders ungewöhnlich? Nein! Sie schneidet wie alle anderen auch. Nun ja, zusammengefasst gibt es vielerlei Trigger, die Aggression und Wut bei Betroffenen hervorrufen können.  

Akteure der Misophonie

Eines betone ich immer wieder: Es ist wichtig, nicht bloß die Welt des Misophonikers kennenzulernen. Ebenso wichtig ist die Sicht der Angehörigen, die sehr stark mit unter der Misophonie leiden. 

Warum ist es wichtig, die verschiedenen Akteure der Misophonie zu betrachten? Das hat mehrere Gründe: zum einen soll Unterteilung in Gruppen die Transparenz für das Störungsbild erhöhen. Zudem soll damit auch die Wichtigkeit und auch die Verantwortung des Angehörigen dargestellt und betont werden. 

Zum anderen soll natürlich auch der Angehörige sensibilisiert werden für die Misophonie. 

Ich möchte die Akteure der Misophonie in zwei Gruppen unterteilen. Der Misophoniker selbst und der Angehörige

“Klingt irgendwie nach mir”

Wenn du das erste Mal von Misophonie hörst und vermutest, dass du daran leidest, dann schau dir das folgende Video und beantworte die 5 Fragen für dich. Das Video ersetzt natürlich keine Anamnese eines Arztes. Dennoch ist es, gepaart mit den weiter unten verlinkten Fragebögen, ein guter Indikator für ein Erstgespräch beim Therapeuten oder Hausarzt.

Misophonie Test und Selbstbewertung

Solltest du an Dir selbst bemerkt haben, dass du aggressiv und wütend auf manche Alltagsgeräusche reagierst, so kannst du eine Selbstbewertung durchführen. Klicke hierzu auf den Link, um auf den jeweiligen Selbstbewertungsbogen zu gelangen:

Diese Selbstbewertung ersetzt natürlich keine ärztliche Diagnose (eines Hausarztes und/ oder eines Psycho-/Traumatherapeuten).

Misophonie Behandlung und Misophonie Therapie

Bevor wir uns den Therapieformen zuwenden möchte ich noch eine sehr informative Seite von Andreas Seebeck mit Dir teilen: Trauma Akut von Andreas Seebeck. Andreas Seebeck beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Misophonie. Gleichzeitig ist er auch Betreiber der Plattform misophonie.de. Seit Mitte 2021 darf ich Andreas auch im Team der Misophoniehilfe als Coach und Trainer willkommen heißen. Danke an dieser Stelle für deinen Einsatz, lieber Andreas!

Gegenkonditionierung

Die Gegenkonditionierung ist ein Verfahren der Verhaltenstheorie. Es wird auf eine Minderung einer negativen Reaktion und eine Erhöhung der positiven Reaktion abgezielt.

Misophonie entsteht durch Konditionierung. Hierbei handelt es sich um die unbewusste Verbindung des Betroffenen von negativen/ traumatischen Ereignissen mit einem Geräusch. Dabei wird eine sofortige, negative Reaktion hervorgerufen, da der Betroffene ohne, dass er es bewusst wahrnimmt, in die damalige Situation zurückversetzt wird. 

Die Gegenkonditionierung zielt darauf ab, diese schlechten Erlebnisse mit positiven Erfahrungen zu überschreiben, bzw. negativ empfundene Geräusche durch positive Assoziationen zu verdrängen. Heißt einfach formuliert, dass Dein Gehirn umprogrammiert wird. Während der Therapie werden angenehm empfundene Töne, wie Meeresrauschen oder andere Naturgeräusche mit einem Kopfhörer vorgespielt. 

Ebenfalls werden Bilder gezeigt, die mit positiven Emotionen verbunden werden (z.B. Meer, Strand, Berge, Fluss). Dies soll dabei helfen, die gehörten Trigger mit positiven Bildern zu verknüpfen. 

Dem Betroffenen wird sein Trigger in verminderter Lautstärke vorgespielt, während er schöne Bilder und Klänge konsumiert.

Weiterführende Informationen: Case Study von Thomas H. Dozier

Misophonie und die Analogie “Mauer”

Hypnose bei Misophonie?

Die Hypnose soll dabei helfen, gelernte Reiz- und Reaktionsmuster neu zu erlernen. Automatisierte Abläufe, die bei einem Trigger durchlaufen werden, sollen neu gelernt werden. Die Reaktion auf einen Trigger läuft völlig automatisch ab und kann mit dem rationalen Verstand nicht kontrolliert werden.

Bei der Hypnose wird das Unterbewusstsein angesteuert und versucht dieses neu zu programmieren. Dein emotionales Empfinden und Dein emotionales Leben sollen dadurch restrukturiert werden. Die vorher noch als kritisch wahrgenommen Geräusche sollen mit einem positiven Gefühl verknüpft werden (ähnlich wie bei der Gegenkonditionierung), um mehr Lebensqualität dazuzugewinnen. 

Mithilfe der Hypnose soll die zugrundeliegende Ursache für Deine negativen Emotionen ergründet werden und aufgelöst werden. 

“Bringt Hypnose etwas?”

Durch die Aufklärungsarbeit über YouTube und Instagram kommen immer wieder Misophoniker mit der Frage auf mich zu, ob Hypnose etwas gegen Misophonie bewirkt. Meine Antwort fällt immer gleich aus: Probier dich aus! Ich meine, was hast du zu verlieren? Nichts. Höchstens Zeit und Geld. Du kannst nur gewinnen: Entweder deine Misophonie wird besser oder du hast weitere Erfahrung gesammelt und gelernt. 

Sei kreativ, traue dich und probiere dich aus! Misophonie ist eine Lebensaufgabe, die es erfordert, immer wieder aktiv und kreativ zu werden. So habe ich letzten Endes auch für mich herausgefunden, wie ich damit umgehen kann. Ich werde nur noch äußerst selten getriggert, weil ich etwas gegen die Misophonie tue und nicht in meiner alten Opferrolle verharre.

*Achtung*: es folgen ehrliche, vielleicht auch harte Worte, tief aus meinem Herzen: Wenn sich etwas ändern soll, dann musst du aus der Opferrolle ausbrechen. Unbedingt. Die Opferrolle lässt es nicht zu, dass du mit der Misophonie gut leben kannst und deine Trigger abmilderst. Glaube mir, ich war selbst Jahrzehnte lang darin gefangen. Mein Leben hat sich erst dann zum Positiven geändert, seit ich nicht mehr denke, dass ich Opfer meiner Misophonie bin. Das ist Einstellungssache, kommt aber auch nicht von heute auf Morgen. Bei mir hat es auch gedauert.

Trauma Buster Technique (TBT)

Mithilfe der Trauma Buster Technique sollen die automatisch ablaufenden Symptome eines Schocks oder eines Traumas aufgehoben werden. Dabei umfasst die Technik einen Prozess mit vier Schritten. Die Technik verwendet dabei Klopfakupressur und NLP (neurolinguistische Programmierung). 

Das Trauma- oder Schockmuster soll unterbrochen und die negativen Erinnerungen verfremdet werden. Erinnert man sich in der Zukunft an dieses Trauma, so werden keine belastenden, emotionalen Reaktionen mehr ausgelöst oder sie treten nur mehr in abgeschwächter Form auf. Bei TBT wird ausschließlich mit denjenigen körperlichen Reaktionen gearbeitet, die durch das Trauma hervorgerufen werden.

Während der Anwendung dieser Technik wird für eine angenehme und neutrale Atmosphäre gesorgt. Der Patient soll sich wohlfühlen, ohne dabei eine Wertung der Ereignisse zu erfahren. Es gibt bereits nachvollziehbare Ergebnisse bei Straftätern, Kriegsveteranen, Flüchtlingen und Folteropfern, Unfall- und Katastrophenopfern. 

Die TBT wird nicht nur bei Trauma und Schock eingesetzt, sondern auch bei Suchtverhalten oder chronischen Schmerzen. Andreas Seebeck lehrt diese Technik im Rahmen unseres Coaching Programmes (TBT auditiv). Für mich persönlich war die Anwendung dieser Technik erfolgreich und ich konnte meinen Trigger “Umrühren des Kaffees” deutlich reduzieren.  

EFT (Emotional Freedom Technique) Klopfakupressur als Teil der TBT

Bei der Klopfakupressur wird mit dem Zeige- und Mittelfinger bestimmte Meridianpunkte am Körper abgeklopft. Meridiane sind “Kanäle”, die Verbindungen zu unseren Organen, zur Psyche und zu Körperfunktionen bilden. 

Durch die Anwendung der Technik soll unmittelbar Stress, Aggression, Wut und Angst gelindert werden. Diese Übung mache ich mittlerweile täglich und klopfe verschiedene Punkte und gehe gedanklich in alltägliche Situationen, die mich belasten. Damit reduziere ich meinen Stresslevel und bin nicht so sehr empfänglich für Trigger.

Probier es gerne mal für dich aus: auf der Arbeit kommst du in eine Diskussion mit einem Arbeitskollegen, die dir bis in die Abendstunden nachgeht? Du denkst immer wieder darüber nach, du grübelst, du durchlebst die Situation immer wieder? Dann klopfe bestimmte Punkte, während du daran denkst, zum Beispiel den Scheitelpunkt auf dem Kopf, den Punkt zwischen den Augenbrauen oder die sensiblen Punkte unter dem Schlüsselbein. Viel Spaß und viel Erfolg dabei!  

7 Tipps für deinen Schutz vor Triggern

Kommen wir zu einigen Praxistipps, die dich vor Triggern schützen:

  • Lege Dir ordentliche Kopfhörer zu: Nimm Dir die Zeit und suche Dir gescheite Kopfhörer aus, die du immer und überall bei Dir trägst! Sicher ist das einer der bekanntesten Tipps gegen Misophonie. 
  • Sorge für Umgebungsgeräusche: Wenn du bei Deiner Familie zum Essen eingeladen bist, schalte das Radio an!
  • Ziehe Dich an Deinen Rückzugsort zurück: Wenn es dir zu viel wird, musst du schnell herunterkommen.
  • Erstelle Dein persönliches Misophonie-Notfallpaket: Alles ist erlaubt, was Dich vor Triggern bewahrt, wie zum Beispiel Deine Kopfhörer und Dein Handy, um Musik zu hören.
  • Schaue den Film “Quiet Please”: Besonders empfehlenswert, wenn Dich jemand als “übersensibel” hinstellt und Dir sagt, Du sollst Dich “nicht so anstellen.”
  • Plane und strukturiere Deinen Tag, um Dich vorzubereiten: Verschaffe Dir einen Überblick, wann und wo Du getriggert werden könntest. Genau so gewinnst Du auch den Überblick über Ruhezeiten!
  • Sprich mit Deinen Angehörigen über Deine Misophonie: Darüber zu sprechen ist ein echter Quickwin! Damit kannst Du für eine bessere Atmosphäre sorgen.

Info: In meinem ersten Buch Ich hasse Geräusche! habe ich einen vorgefertigten Brief an Angehörige entwickelt und auch einen roten Faden erstellt, wie man ein solches Gespräch angehen kann. Und nein, den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht.

Warte also nicht darauf. Einfach raus damit. Der Zeitpunkt ist nicht maßgeblich dafür, ob Dein Angehöriger Verständnis für Dich aufbringt oder nicht. Dessen Charakter und Toleranzgrenze sind wesentlich dafür!

Den roten Faden habe ich dir ebenfalls mitgebracht. Du kannst ihn als Orientierung für deine Vorbereitung nutzen. Mir persönlich hat die Vorbereitung auf Gespräche sehr geholfen. Ich konnte damit selbstbewusster auftreten und deutlich sicherer argumentieren. Damit gibst du deinem Gesprächspartner auch eine höhere Priorität.

Der effektivste Schlüssel gegen Misophonie ist Entspannung

iehen wir ein Zwischenfazit: Wir haben einige Behandlungsmethoden und Schutzmechanismen kennengelernt und wissen, wie wir die Gesprächsführung üben können. Kommen wir nun zum wichtigsten Schlüssel gegen die Misophonie: die Entspannung.

Je entspannter du bist, desto seltener wirst du getriggert. Je seltener du getriggert wirst, desto entspannter bist du. Eine Aufwärtsspirale (die auch in die andere Richtung verlaufen kann).

Nicht nur für beruflich gestresste Menschen ist eine Entspannung unglaublich wichtig. Gerade für dich als Misophoniker musst du unbedingt Ausgleich schaffen und dich entspannen. Hier einige bekannte Methoden, wie du entspannen kannst:

    • Meditation: Eine der wohl bekanntesten Methoden um zu entspannen ist die Meditation. Damit ist nicht gemeint, dich im Lotussitz mit Räucherstäbchen und Klangschale ins Nirgendwo zu befördern. Nein, du sollst einfach nur entspannen und mal nichts denken.
    • Weitere Möglichkeiten zur Entspannung sind Yoga, autogenes Training, progressive Muskelentspannung, Thai Chi, Akupunktur, Wellness und allgemein Massage

Wenn du wissen möchtest, wie du auch als Anfänger meditieren lernen kannst, dann schau dir gerne hierzu den Blogartikel “Einfach meditieren lernen” an. Dort findest du eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie du deine erste erfolgreiche Meditationssession abhalten kannst. Es wird eine einfache Übung beschrieben, die ich noch heute nutze, um zu entspannen. 

Meine persönlichen Erfahrungen mit Misophonie

Ich leide seit meiner Kindheit am Hass auf Geräusche – unbewusst. Und seit etwa 5 Jahren weiß ich, dass meine Störung die Misophonie ist. Mittlerweile lebe ich gut damit und  werde nur noch äußerst selten getriggert. Mein Leben habe ich darauf ausgerichtet, selten bis gar nicht mehr getriggert zu werden. Das bedarf viel Übung und Routinen (PME, Sport, Ernährung, Entspannung und auch regelmäßiges Einüben von Klopftechniken) – aber es lohnt sich. Jeder Trigger ohne Tag ist sehr viel wert.

Mir ging es vermutlich so wie dir. Stell Dich nicht so an, oder Du bist aber sensibel oder Sei nicht so aggressiv, ich schmatze doch gar nicht oder Ich mache das doch nicht absichtlich sind oft gehörte Sätze in meiner Vergangenheit.

Wie ist mein Leben, seit ich von meiner Misophonie weiß?

Auf jeden Fall ist das Wissen über meine Misophonie ein Gamechanger gewesen! Als ich noch nicht offen und ehrlich mit meiner Partnerin darüber gesprochen hatte, habe ich mir sogar überlegt, was wir abends zusammen essen können, wobei sie nicht so sehr schmatzt. 

Verrückt, ich weiß. Das waren dann trockene und knusprige Sachen, aber bloß keinen Käse oder sonstiges weiches Essen, was prädestiniert für Schmatzen ist. Nüchtern betrachtet, war es gleich, was sie gegessen hat. Sie hat mich mit ihrem Geschmatze immer an den Rand der Verzweiflung gebracht.

Wie lief das klärende Gespräch zwischen mir und meiner Partnerin ab? Wir waren eines Morgens in einem Café und sind dort auf dieses Gespräch gekommen. Wir haben über eine Stunde meine Misophonie thematisiert. 

Wir sind die unterschiedlichen Situationen durchgegangen, die wir zu Hause erlebt hatten. Zum Beispiel, dass ich während des Essens einfach aufgestanden bin und etwas in der Küche geknallt habe oder, dass ich den Fernseher auf „Lautstärke: Atomkrieg“ gestellt hatte, dass ich bloß keine Schmatzgeräusche mehr hören kann. 

Das klärende Gespräch mit ihr war für mich eine sehr starke Erleichterung. Ab diesem Zeitpunkt hat sich das Zusammenleben deutlich verbessert und sie hatte auch nicht mehr die Fragezeichen im Gesicht, wenn ich geflüchtet bin. 

Respektiert zu werden ist wichtiger, als verstanden zu werden

Sie hat mehr und mehr verstanden, warum ich schlecht gelaunt war, wenn sie mich wieder mal getriggert hatte. In diesem Gespräch habe ich gefühlt tausendmal betont, dass es nichts, aber rein gar nichts, mit ihrem Charakter oder ihrer Persönlichkeit zu tun hatte. 

Ganz im Gegenteil, ihre Persönlichkeit und ihr Charakter helfen uns heute dabei, eine gescheite Beziehung zu führen und mit der Misophonie klarzukommen. 

Das Gespräch hat die Last auf meinen Schultern extrem verringert und mir meinen Alltag sehr erleichtert. Seitdem hat sich mein Alltag nach und nach gebessert.

Ich fühle mich wesentlich entspannter und der Leidensdruck und das schlechte Gewissen haben mehr und mehr abgenommen. Je mehr ich über die Misophonie weiß, desto besser kann ich mich und meine Mitmenschen darauf einstellen.

Vielleicht versteht mich meine Partnerin nicht zu 100 %. Das verlangt auch niemand. Viel wichtiger ist es, dass sie hinter mir steht und meine Bedürfnisse respektiert. 

Das Leben als Pulverfass

Anders lässt es sich kaum beschreiben. Als Misophoniker lebt man (ungeschützt, ohne grundlegende Strategie, ohne Arbeit an den eigenen Triggern) regelrecht als Pulverfass. Ein Funke reicht zur Explosion. Viel zu oft bin ich in meinem Elternhaus explodiert, weil ich an jeder Ecke getriggert wurde. Von meiner Mutter immer und überall, meinem Vater beim Essen und unseren Hunden. 

Dadurch spürte ich in mir eine gewisse Grundaggression und war sehr frustriert. Die Unsicherheit jederzeit getriggert werden zu können machte mich mürbe. Das Gefühl, dass jederzeit und überall der nächste Trigger kommen könnte ist kaum zu beschreiben. Eine Mischung aus Nervosität, Unruhe, Ungeduld und Unwohlsein trifft es ganz gut denke ich. 

Und ja, nicht nur für Misophoniker ist dieser Zustand ein echter Energieräuber. Auch für Angehörige ist das Zusammenleben mit einem Betroffenen anstrengend. Wenn Angehörige davon wissen und es respektieren, versuchen sie bloß keine Geräusche zu machen, die triggern könnten. In Ihrem Verhalten sind sie eingeschränkt. Die Nerven liegen meistens ebenfalls blank. 

Es ist daher wichtig, der Misophonie gemeinsam im Wir-Verbund einen Riegel vorzuschieben. Aus diesem Grunde habe ich das erste Buch von einem Misophoniker für Misophoniker und Angehörige geschrieben. Kurzum: Misophonie geht alle an! 

So gehen Angehörige am besten mit Misophonie um – ein Leitfaden

Zusammenfassung

Mit Misophonie zu leben ist eine Lebensaufgabe. Es gibt jedoch viele Mittel und Wege, um glücklich damit zu leben und Trigger abzumildern. Das bedarf disziplinierter und regelmäßiger Arbeit.

Für mich hat eine Mischung aus progressiver Muskelentspannung, Selbstschutz, Ernährung und Sport, Entspannung, Meditation und die konsequente Anwendung von Techniken (Klopfen) deutliche Besserung gebracht.

Ich bin nahezu triggerfrei, wenn ich regelmäßig auf mich und meine Umgebung achte und meine Übungen mache. Wenn ich es nicht tue, werde ich getriggert. So einfach ist das. Ein ebenfalls wichtiger Schlüssel ist die Einstellung zur Misophonie (raus aus der Opferrolle).

Ich bin Überzeugung, dass sich Dein Leben schon mit mehreren kleinen Maßnahmen bessern wird, indem Du zum Beispiel für ausreichend Ausgleich sorgst, Raum für Entspannung hast, Du darüber sprichst und Dich mit Menschen austauschst, die Dich verstehen und Dir mit Verständnis entgegnen.

Ich bitte hiermit eindringlich JEDEN MENSCHEN, der die Misophonie bzw. die daran leidenden Personen belächelt oder nicht ernst nimmt, nochmal in sich zu gehen und sich zu hinterfragen. Seid nett zueinander!

Misophonie ist, wenn zwischen Liebe und Hass nur ein kleines Geräusch steht.

Bei Deinem weiteren Weg wünsche ich Dir von Herzen alles Gute!

Andreas und ich bieten Zoom-Coachings über mehrere Monate an. Schau gerne mal hier vorbei und fülle das Formular aus, falls dich das interessiert.

Dein Patrick

Mockup Buch "Ich hasse Geräusche!"

Aus tiefstem Herzen auf Papier...

In meinem Erstlingswerk Ich hasse Geräusche! beschreibe ich, wie du dich täglich vor Triggern schützen kannst, wie du dich entspannst und wie du über die Misophonie sprechen kannst. Aktuell gibt es das Buch geschenkt. Du zahlst nur den Versand.

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